Düstere Legenden

Gestern Abend wurde in einem lokalen Lichtspieltheater das amerikanische Machwerk I Am Legend in digitaler Projektion dargeboten. Ein Ereignis, das förmlich danach schreit, im freien Fall zerrissen, bespuckt und bei Bedarf auch getreten zu werden.

Der Film beginnt durchaus viel versprechend. Gezeigt wird ein postapokalyptisches, von nachtaktiven Zombies bewohntes New York, deren Lebenszweck darin besteht, den letzten Überlebenden der Stadt zu verspeisen. Die ersten sechzig Minuten gelten der Einsamkeit des Hauptdarstellers, der verzweifelt versucht, die Illusion von Normalität, in die er sich geflüchtet hat, aufrecht zu erhalten, und dabei langsam und ohne es zu merken in den Wahnsinn abrutscht, während er ganz nebenbei noch klinische Tests in seinem Kellerlabor durchführt, um ein Heilmittel gegen das böse Virus zu finden, das fast die gesamte Menschheit befallen hat. Soweit, so gut. Leider offenbaren sich nach und nach Unmengen an Angriffspunkten, die ich in folgende Kategorien zu gliedern versucht habe:

Peinliche Kreationismus-Propaganda

Statt den äußerst interessanten Ich-Werde-Langsam-Wahnsinnig Handlungsstrang weiter zu verfolgen, taucht nach ca. einer Stunde eine religiöse Pfadfinderin auf. Sie erklärt uns, nicht die Wissenschaft ist die Lösung für das Zombie Problem - einzig allein Gott kann uns retten. Dieser hätte schließlich einen Plan. Das Wort Intelligent Design fällt zwar nicht, man kann es aber förmlich riechen.

Und tatsächlich - zum Schluß erkennt das auch der rational denkende Hauptcharakter, sieht ein, dass Gott alles geplant hat und opfert sich für das Wohl der Menschheit. Die religiöse Fundamentalistin hingegen begibt sich in die Arme der Gläubigen, die sich um eine Kirche in Vermont versammelt haben, um inmitten der christlichen Gemeinschaft sicher und geborgen bis an ihr Lebensende zu verweilen. Halleluja!

Peinliche Republikaner Propaganda

Will Smith’s Charakter lässt keine Gelegenheit aus um zu betonen, dass er die Stadt nicht verlassen kann. Es sei schließlich Ground Zero! Was für ein Argument. Patriotisch durch und durch. Um die Message noch deutlicher zu transportieren hätte man ihn sagen lassen sollen: “There is no Exit Strategy!” Damit sichergestellt ist, dass auch wirklich alle potentiellen Wähler die Nachricht begreifen.

Vor allem in Kombination mit dem vorigen Kritikpunkt wirft sich eine Frage an den Hals: ist es Zufall, dass ein derartiger Film kurz vor der amerikanischen Präsidentenwahl ins Kino gelangt? Just, als das erste mal ein bekennender Kreationist und extremkonservativer Provinzprediger tatsächlich Aussichten auf das Präsidentenamt hat? Ich glaube: nein. Kann es aber nicht beweisen. Noch nicht.

Dumme Charaktere

Nicht nur Zauberschüler und kleine Mädchen sind vor Harry Pottesker Dummheit nicht gefeit - auch vor der religiösen Pfadfindern macht diese beliebte erzähltechnische Unart keinen Halt:

Wissenschaftler (verwundet): “Die Zombies wissen nicht wo ich wohne. Wir dürfen auf keinen Fall während der Nacht dorthin fahren, sonst folgen sie uns und bringen uns um!”
Wissenschaftler wird ohnmächtig.
Pfadfindern: “Ach, was solls! Sie werden uns schon nicht folgen. Auf nach Hause!”

Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe ich jegliche Sympathie für die Charaktere verloren, weswegen der Rest des Films für mich nicht mehr funktioniert.

Ungereimtheiten

Die Fachfrau spricht von inkonsistenter Diegese - der Volksmund sagt, die Geschichte strotzt nur so vor Blödheiten. Zum Beispiel in Form von inkonsistenten Details, z.b. wenn Darsteller in einem Moment eine besondere Fähigkeit besitzen und selbige in einer Szene höchst dramatisch einsetzen, kaum zehn Minuten später aber nicht im Traum daran denken, diese wieder zu verwenden.

So blieben für mich viele Fragen offen:

  • Warum bietet eine Stadtmauer rund um Vermont effektiven Schutz gegen die Zombies, obschon diese doch binnen Sekundenbruchteilen vierstöckige Häuserfassaden emporklimmen können und auch sonst unverzüglich beim Cirque du Soleil als Akrobaten auftreten könnten?
  • Warum warten die Zombies bei der Hunde-Attacke tatenlos im Haus ab bis Will sich bis zum Auto durchgekämpft hat und fliehen kann, auch nachdem die Sonne bereits untergegangen ist?
  • Wie können sie 3 Jahre überwintern, wo doch das Virus angeblich nicht kälteresistent ist? Wie konnte das Virus dann überhaupt mitten im Winter ausbrechen?
  • Seit wann sind Labor-Arrestzellen wahlweise von innen und von außen verriegelbar?
  • Warum sind die Zombies einerseits intelligent genug, eine äußerst komplizierte Falle für Will zu konstruieren, kommen aber nicht auf die Idee, sich Skianzüge oder ähnliches anzuziehen um Will tagsüber zu verfolgen oder umzubringen?
  • Wie vollbringt die religiöse Pfadfinderin das Kunststück, mit einem Auto auf die Insel zu gelangen, wo doch alle Brücken (höchst aufwändig in Szene gesetzt) gesprengt wurden?
  • Wie hat Will es geschafft zu überleben, bevor er sich seine Festung inklusive Infrastruktur angelegt hatte?

Fazit

Hach… nichts als Ärger.

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